Leitung Geschäftsstelle Deutscher Ladenbau Verband im Gespräch mit der Fachzeitschrift exakt
exakt: Der Online-Handel boomt, verödete Innenstädte werden befürchtet. Wie sehen Sie die Zukunft des stationären Handels?
Angela Krause: Es wird immer stationären Handel geben, aber die Ladengeschäfte werden vermutlich nicht mehr die Innenstädte dominieren. Wobei man auch differenzieren muss: Metropolregionen haben es dank eines größeren Angebotes und der Vielfalt leichter als Klein- und Mittelstädte. „Viele Probleme hätten vermieden werden können, wenn die Städte früher auf die Veränderungen im Einkaufsverhalten und die wirtschaftliche Situation reagiert hätten.“ Das sagt Tina Jokisch vom Architekturbüro Schwitzke & Partner und bringt es auf den Punkt. Wir vom dLv haben das Thema seit Jahren auf der Agenda, viele Städte haben es aber verschlafen, verdrängt oder nicht angepackt. Die Kluft zwischen Kunden, die gern Luxusgüter kaufen und denen, die sich mit Mühe den täglichen Bedarf leisten können, wird immer größer. Für alle alles vorzuhalten, ist nahezu unmöglich, und der Onlinehandel boomt. Die berühmte grüne Wiese ist in den letzten Jahrzehnten ausgebaut worden, zum Schaden für die Innenstadt. Aus dieser wurde der Verkehr mehr und mehr verdrängt. Der Kunde hat es schwer, in die Stadt zu kommen, Bus und Bahnen sind nicht flächendeckend unterwegs und kosten zusätzliches Geld. Oder man verschreckt den Kunden durch horrende Parkgebühren. Die Gewerbemieten waren in den letzten Jahren durchgehend hoch, obwohl aufgrund der genannten Entwicklungen die Verkaufsflächen und damit die Erträge weniger wurden, Händler aufgaben und somit das Warenangebot weniger und auch weniger attraktiv wurde. Das viel beschworene Erlebnis wieder in die Städte zu bringen, ist eine Herkulesaufgabe. Stadtplaner sprechen von einem gelungenen Mix aus Retail, Begegnung (in Cafés
und Restaurants, Theater, Events), Kunst und Wohnen. Es muss wieder mehr Leben in die Innenstadt. Man kann und darf es nicht dem Handel allein überlassen, die Attraktivität der Stadtmitte liefern zu müssen. Gelingt dieses Konzept, sieht die Zukunft des Einzelhandels gut aus.
exakt: Lohnt es sich noch, in Läden zu investieren?
Krause: Es lohnt sich dann, wenn der Retailer seinen Laden sprichwörtlich im Griff hat. Er muss sein Warenangebot punktgenau auf die Zielgruppe ausgerichtet haben, diese effizient ansprechen und, sollte er im Multi-Channel unterwegs sein, diesen professionell bespielen können. Service, Beratungsqualität und persönliche Betreuung ist das, was den stationären Handel vom Onlinehandel unterscheiden kann. Der Store ist noch immer das Aushängeschild des Händlers. Investitionsstau rächt sich. Daher sagen wir vom dLv: Natürlich lohnt es sich, wenn man seinen Handel erfolgreich betreibt, in den Point of Sale zu investieren, denn an diesem trifft er seinen Kunden. Ist dieser zufrieden, läuft es auch, egal, in welcher Branche.
exakt: Was sehen sie als aktuelle Trends im Ladenbau?
Krause: Im Hinblick auf Farben oder Material wird verwendet, was zur Marke passt. Dieser Trend zur Individualität ist seit Langem zu beobachten und wird sich nicht ändern. Zugenommen hat die Gastronomie im Laden, vom kleinen Bistro bis zum Restaurant leisten sich Händler Aufenthaltsräume für die Kunden unter dem Aspekt „der Laden als sozialer Treffpunkt“. Regionalität und Authentizität sind weitere Trends, die aber auch nicht neu sind. Der Laden als Showroom, Testcenter oder Werkstatt hat sich mittlerweile etabliert. Es kann ausprobiert, gelernt, repariert werden, nicht selten legt der Kunde selbst Hand an. Der Laden als bloße Warenabverkaufsstätte hat ausgedient.
exakt: Welche Themen sind Treiber des Innovationsprozesses im Ladenbau?
Krause: Die Digitalisierung, die den Point of Sale ändert. Digitale Elemente müssen eingebaut werden, sie verändern den Verkaufsraum, das Verhalten der Kunden, die Laufgänge, die Warenpositionierung und vieles mehr. Nachhaltigkeit treibt die Verwendung neuer Materialien, die beschafft und verarbeitet werden müssen. Gastronomie im Laden stellt neue Anforderungen an die Ladenbauer.
exakt: Welche Materialien sind derzeit gefragt? Was könnte zukünftig kommen? Sind beim Ladenbau künftig mehr individuelle Konzepte gefragt oder eher „von der Stange“?
Krause: Es ist zu beobachten, dass die Filialisten den Ausbau neuer Stores zurückfahren. Weniger stationäre Präsenz bei gleichzeitigem Ausbau des Onlinehandels. Da wird der Laden zum Kontaktpunkt, der besonders und individuell sein soll. Aesop hat es vor Jahren vorgemacht: Jeder Laden ist anders, und zwar weltweit. Es wird sehr auf regionale Aspekte geachtet beim Store-Design. Daher werden erfolgreiche Marken eher individuell auftreten, um in jeder Stadt besondere Spuren zu hinterlassen. Im Discountsektor, besonders im Fashionbereich, wird es dagegen weiter um multiplizierbare Konzepte gehen.
exakt: Sehen Sie eine Entwicklung hin zum Luxus?
Krause: Die Luxusmarken rüsten tatsächlich weltweit auf und bauen weiterhin großartige Shoppingtempel, die allein wegen ihres aufwendigen Store-Designs bewundert werden. Wir waren
mit dem dLv im Oktober 2023 auf einer Tour nach Paris und haben uns dort natürlich auch die Heroen der Fashionbranche angeschaut. Das Haus von Dior in der Rue Montaigne, am alten Stammsitz, ist ein fantastisches Haus mit Restaurant, Café, Blumengarten indoor, Museum und viel Kunst. Es ist dabei einladend, gastfreundlich und bunt. Das Store Book des dLv zeigt jährlich herausragende Store-Konzepte weltweit. Wir sehen, dass die Luxusmarken besonders in Asien sehr viel investieren in ihre stationäre Präsenz. Die Branche hat in der Pandemie am wenigsten gelitten.
exakt: Wie steht es um die Stimmung der Ladenbauer und Zulieferbetriebe?
Krause: Die Januar-Umfrage, die einen Rückblick auf die letzten Wochen 2023 ermöglicht, zeigte ernüchternde Erwartungen an das Jahr 2024. Die Konsumlaune ist weiterhin auf niedrigem Niveau aufgrund der Krisensituationen. Der Handel hat große Sorgen, rund die Hälfte der Händler will nicht
investieren, sagt der Branchenverband HDE. Hohe Kosten für Energie, Ausgaben für die Digitalisierung und eben kaufunwillige Kunden verhageln die Stimmung. Das merken die Ladenbauer. Ganz klar ist eine Tendenz zum Umbau, zur behutsamen Renovierung anstatt eines Neubaus oder Komplett-Relaunches zu spüren. Die Zulieferer sind ebenfalls unzufrieden. Hier fehlen die großen Flächen, die Stores werden kleiner. Und wenn der Handel statt neu eher umbaut, braucht er nicht viel Material.
exakt: Früher gab es eine lange Lebensdauer für Läden. Doch Trends ändern sich immer schneller – wie sieht es vor diesem Hintergrund mit dem Aspekt Nachhaltigkeit aus?
Krause: Die Renovierungszyklen hatten sich in den letzten Jahren mehr und mehr reduziert, es wird schneller umgebaut. Das kann man sich auch aufgrund der digitalen Elemente gar nicht anders vorstellen. Die Tendenz, aus Nachhaltigkeits- oder auch Kostengründen zu renovieren, statt die Ladeneinrichtung komplett auszutauschen, ist seit der Pandemie ganz deutlich geworden. So gesehen wird heute nachhaltiger gehandelt als früher. Man hat zwar die Einrichtung länger behalten, dann aber komplett herausgerissen. Heute wird sehr genau darauf geachtet, was wieder aufgearbeitet werden kann oder aber zumindest in irgendeiner Form weiterverwendet werden kann.
exakt: Worin sieht der dLv die Zukunft?
Krause: Es gibt spannende Themen, die auf die Ladenbauer zukommen. Wie entwickelt sich zum Beispiel der Trend Nachhaltigkeit? Denn bislang werden nachhaltige Materialien zwar verlangt, aber nicht immer gern bezahlt. Das Potenzial ist noch deutlich steigerungsfähig. Der Ladenbauer kann zum Komplettanbieter werden, der dank eines guten Netzwerkes die komplizierten Fragen im Zusammenhang mit der Store-Einrichtung abnimmt. Denn die baulichen Anforderungen, auch aufgrund strenger gesetzlicher Regelungen, werden immer anspruchsvoller. Der Ladenbauer wird Sparringspartner des Händlers, der Kompetenz in seinem Geschäft und Know-how in vielen Dingen braucht. Hierfür benötigt er gute Partner. Die Qualität, für die die Marke Made in Germany bekannt ist, kann ausgebaut werden. Unsere Mitglieder in diesen Herausforderungen zu unterstützen, wird unsere Aufgabe sein.