Stefan Deelmann, Geschäftsführer MOprojects GmbH
Ladenbau ist mehr als die reine Schaffung eines funktionalen Verkaufsraums. Ladenbau ist ein komplexes Zusammenspiel von vielen verschiedenen Disziplinen. Dies ist vor allem im Luxussegment
von enormer Wichtigkeit. Wir haben langjährige Erfahrung mit internationalen Retailern aus dem Luxussegment. Ich gebe hier gern einen Einblick, worauf es besonders ankommt.
Struktur und Markenidentität
Ein tiefes Verständnis der Geschichte, Werte und Ziele einer Marke ist wichtig, um die Arbeitsweise der Kunden nachvollziehen zu können. Das bezieht sich sowohl auf die Gestaltung der Projekte als auch auf spezielle Kommunikationswege. Vor allem die großen Luxuskonzerne wie LVMH oder die Richemont haben durch ihre zahlreichen internationalen Zweigstellen teils sehr komplexe Organisationsstrukturen. Bei einem Projekt kann es beispielsweise vorkommen, dass die Möbel vom Ansprechpartner im Hauptquartier in Paris bestellt werden. Eingebaut werden sie in Amsterdam, aber die Rechnungsstellung geht an die spanische Gesellschaft.
Design und Value Engineering
Die Designabteilungen von Luxusmarken entwickeln ihre Konzepte mit großem Engagement. Wenn Änderungen aufgrund von Budgetgrenzen notwendig sind, müssen diese mit Bedacht vorgenommen werden, um die kreative Vision nicht zu beeinträchtigen. Bei Anpassungen im Design ist also viel Fingerspitzengefühl gefragt.
Auswahl des Materials
Wenn das Produkt luxuriös ist, müssen die verwendeten Materialien für den Ladenbau ebenfalls extrem hochwertig sein, ansonsten wird das Gesamtkonzept nicht als stimmig empfunden. Hierbei ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, ein großes Netzwerk an Lieferanten zu haben, da die Anforderungen recht breit gefächert sein können. Gesucht und gefunden werden müssen hochglanzpolierte Lackoberflächen, verschiedenste Metalle, Furniere, Steine, Tapeten, Leder, Stoffe, Muscheln, Fischhäute und vieles mehr. Kenntnisse in verschiedenen Spachteltechniken und anderen Handwerksfertigkeiten sind unabdingbar. Das Sprichwort „Es gibt nichts, was es nicht gibt“ trifft hier ganz besonders zu.
Internationale Besonderheiten und Kommunikation
Internationale Projekte versprechen zusätzliche Herausforderungen: Organisiert werden muss Unterschiedliches von Zollbestimmungen über Visavorgaben, Arbeitsgenehmigungen bis hin zu Luftfrachtanforderungen. Lokale Feiertage und ihre Besonderheiten je nach Land muss man kennen.
Diese Informationen bekommt man nicht immer ohne Weiteres von den Ansprechpartnern der Marken, zumal diese teilweise nicht an den Einbauorten beheimatet sind. Hier heißt es viel recherchieren, offen fragen, ganz viel Erfahrungen sammeln und Puffer einplanen, sowohl in zeitlicher als auch in monetärer Form. Und selbst dann wird es leider auch Momente wie diese geben: Abbruch der Nachtmontage, weil nicht bekannt war, dass man in der Mall in Katar die Türen zur Öffnung buchen muss, um die Möbel an ihren Platz zu bringen. Ein wichtiger Punkt ist hierbei auch die Sprachkompetenz. Sicher sprechen sehr viele Ansprechpartner bei den großen Luxusmarken englisch. Vor allem die kreativen Köpfe bei den Marken wollen jedoch ihre Ideen, ihre Designvorstellungen nicht erst übersetzen müssen. Da ist im Idealfall ein Muttersprachler im eigenen Haus ein Vorteil. Und wenn dann die Zollbeamten in Marokko kein Englisch sprechen, die Ware aber im Zoll festhängt und ein Montagetermin zu platzen droht, ist es hilfreich, wenn jemand im eigenen Team Arabisch oder wenigstens Französisch spricht.
Innovative Technologien und Smart Solutions
Gerade Luxusmarken sind beim Thema Digitalisierung sehr innovativ. So war zum Beispiel Estée Lauder eine der ersten Kosmetikmarken, die den Kunden das virtuelle Schminken auf einem im Möbel integrierten Tablet mithilfe von KI anbot. Als Ladenbauer besteht die Aufgabe dann häufig „nur“ darin, das Tablet oder interaktive Display nahtlos in das Möbel zu integrieren. Die meisten Brands sind aber sehr froh, Hinweise und Tipps zu neuen Technologien zu erhalten, daher hat man idealerweise digitale Kompetenz im Hause.
Nachhaltigkeit und Zertifizierungen
Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Faktor für viele Luxusmarken. Lieferanten müssen strenge Standards erfüllen, die oft durch externe Audits überprüft werden. Hier wird dann zum Beispiel die Einhaltung beziehungsweise das Vorhandensein von CSR-Standards, Arbeitsschutz, Arbeitszeiten, Arbeitsverträgen, Abfallentsorgungsvorschriften, Evakuierungsübungen, Erste-Hilfe-Schulungen
und vieles mehr geprüft. Der Aufwand solcher Audits ist hoch, trägt jedoch zur langfristigen Zusammenarbeit bei. Brands wollen sich auf ihre Lieferanten verlassen können.
Qualität, Vertrauen und Diskretion
Die kompromisslose Qualität bis ins letzte Detail und absolute Termintreue werden bei Luxusmarken vorausgesetzt und daher als Standards angesehen. Schon kleinste Maßabweichungen, Ungenauigkeiten oder Farbdifferenzen, die bei anderen Kunden vielleicht akzeptiert werden, führen hier zwangsläufig zu Reklamationen. Für Luxusmarken zu arbeiten ist sehr herausfordernd. Wenn ein solch ambitioniertes Projekt zur großen Zufriedenheit des Kunden abgeschlossen wurde, freut sich das ganze Team und ist sehr stolz. Oftmals sind wir leider „stolz im Stillen“, denn meist dürfen Fotos fertiger Projekte nicht für Marketing oder soziale Medien genutzt werden. Komplexe Geheimhaltungsvereinbarungen gelten nicht nur für Ladenbauer, sondern auch für deren Lieferanten, insbesondere wenn ein neues Produkt gelauncht wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Arbeit mit Luxusmarken zwar anspruchsvoll ist, aber durch spannende Projekte bereichert wird. Gleichzeitig ist es wichtig, das eigene Unternehmensverständnis weiterzuentwickeln, um bei Verhandlungen mit renommierten Marken wie Dior oder Louboutin auf Augenhöhe zu agieren.
Erschienen im STORE BOOK 2025. Hier bestellen.