Henschel setzt auf den stationären Handel

Dr. Moritz Koch, geschäftsführender Gesellschafter Henschel Darmstadt GmbH

Das Modehaus Henschel spielt in einer Liga mit Fashion- Leuchttürmen wie L&T in Osnabrück, Zinser in Tübingen oder Garhammer in Waldkirchen. Wer ist Henschel?

Henschel ist ein traditionsreiches Modehaus, das seit 90 Jahren zu den führenden regionalen Anbietern von Damen-, Herren- und Kindermode gehört. Unser Stammhaus befindet sich am Marktplatz in Darmstadt, ergänzt durch Filialen in Heidelberg und Michelstadt. Darüber hinaus sind wir über familiäre Verbindungen mit dem Haus Heick & Schmaltz in Lübeck vertreten. Vor dreizehn Jahren haben wir mit dem „Gegenüber“ in Darmstadt einen Standort eröffnet, der gezielt auf eine jüngere
weibliche Zielgruppe ausgerichtet ist. Wir legen großen Wert darauf, eine durchdachte Auswahl nationaler und internationaler Marken zu präsentieren, die wir sorgfältig pflegen. Zudem ergänzen wir
unser Portfolio immer wieder mit ausgewählten Newcomer-Labels, die zu uns passen.

Welche Brands passen denn zu Ihnen?

Wir orientieren uns langfristig klar in Richtung Premium-Segment, ohne jedoch den Luxusbereich
anzustreben. Unsere Markenwelt umfasst unter anderem Max Mara Weekend, Marc Cain und Closed.
Besonders stark ist Marc O’Polo, der seit Jahren unsere erfolgreichste Marke ist. Was uns auszeichnet,
ist unser hoher Anteil an treuen Stammkunden, die unsere Beratung, den Service und die individuelle
Ansprache schätzen. Wir heben uns damit vom Onlinehandel ab.

Von diesem haben Sie sich im Jahr 2023 verabschiedet. Warum?

Ganz ehrlich: Der Onlinehandel hat enorme Kosten verursacht, aber wenig Mehrwert geschaffen. Wir haben den Webshop 2017 von einem befreundeten Händler, der sein Geschäft aufgeben wollte, übernommen. Wir konnten ihn zunächst mit einfachen Mitteln inhouse betreiben und damit gut starten. Mit der wachsenden Komplexität – mehr Ware, technologischer Ausbau – stiegen jedoch auch
die Anforderungen. Die meisten Kunden, die über Preisvergleiche auf uns aufmerksam wurden, waren
nicht loyal, sondern lediglich preissensibel. Damit mussten wir klar kommen.

Hinzu kamen logistische Herausforderungen, da wir kein separates Lager für Onlineware hatten. Bestellungen mussten aus dem Store entnommen, Bestände laufend abgeglichen und Retouren aufwändig bearbeitet werden. Der Aufwand war immens, aber unser Fokus lag eben online nicht mehr
bei unseren Stammkunden, die den Webshop ohnehin kaum nutzten. Daher haben wir uns entschieden, den Onlinevertrieb einzustellen, und bereuen diesen Schritt nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir Omnichannel-Strategien grundsätzlich ablehnen. Für Händler in unserer Größenordnung sind die personellen und finanziellen Ressourcen jedoch eine große Hürde. Wir haben den Schritt, den Webshop zu schließen, nicht bereut.

Sie wollen sich also auf Ihre Stores konzentrieren? Was darf der Kunde bei Ihnen erwarten?

Bei uns ist immer etwas los. Wir veranstalten regelmäßig kleine und große Events, zu denen wir unsere
Kunden einladen und begeistern. Ein Highlight ist unser Rooftop-Restaurant im vierten Stock des Stammhauses, das wir in Eigenregie führen. Das ist nicht einfach, sondern ziemlich anstrengend, denn wir sind Händler, keine Gastronomen. Da steckt aber unser Herzblut drin und der Erfolg gibt uns recht. Das Restaurant ist immer gut besucht. Auch Events finden dort regelmäßig statt, und das Restaurant kann – im engen Rahmen – für private Feiern gemietet werden. Prominente Gäste wie Bruce Darnell, der kürzlich da war, sorgen für große Begeisterung. Zusätzlich bieten wir Lesungen, Fashiontalks, Live-Musik, DJs, Tastings und vieles mehr. Ausgewählte Lifestyle-Produkte wie Geschirr und Heimtextilien, auch besondere Lebensmittel ergänzen das Angebot und sind eine gute Geschenkidee. Unser Personal-Shopping-Service wird ebenfalls sehr gut angenommen. Das Haus wird permanent saisonal neu dekoriert.

Ich kenne den Einzelhandel aus meiner Familie über Generationen. Er hat sich stark verändert. Es reicht nicht mehr, einfach zu öffnen und Ware zu verkaufen. Heute müssen wir täglich neue Impulse setzen, unsere Angebote ständig weiterentwickeln und ein Erlebnis schaffen, das die Kunden begeistert.

Womit wir beim Storedesign wären. Sie haben zuletzt den Premiumbereich in der Fashionabteilung umgebaut und sind damit auch in diesem STORE BOOK vertreten. Wie oft bauen Sie um?

Wir erneuern kontinuierlich, behutsam und immer im laufenden Betrieb. Das Haus für eine Umbaumaßnahme zu schließen kommt nicht in Frage. Sie finden bei uns Abteilungen, die einige Jahre alt sind. Wir achten aber immer darauf, dass wir, wo nötig, erneuern oder ergänzen. Das Bild muss insgesamt stimmig sein. Shop-in-Shop-Systeme sind nur für Category Leader erwünscht und das auch nur dann, wenn sie attraktiv sind und in das Gesamtbild passen. Besonders stolz sind wir auf die neue
Premium-Fashionabteilung für Damen. Hier haben wir uns bewusst gegen Shop-in-Shops und für ein einheitliches Storedesign entschieden. Die Gestaltung stammt erneut von blocher partners, mit denen wir seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten. Der Terrazzoboden wurde vor Ort gegossen, ergänzt durch warmes Fischgratparkett und großzügige Umkleidekabinen, die in der Mitte der Fläche platziert wurden. Das Ergebnis ist eine helle, einladende Abteilung, die bei unseren Kundinnen hervorragend ankommt.

Wie erfährt der Kunde davon, was Sie alles tun?

Kundenbindung und Community-Pflege stehen bei uns an erster Stelle. Über CRM-Systeme und Social
Media kommunizieren wir über 400 Marketinganstöße im Jahr an unsere Zielgruppe. Wir laden unsere besten Kunden zum Frühstück ein und die Geschäftsführung muss ran, wenn es heißt: Hier grillt der Chef persönlich. Das sind nur zwei Beispiele dafür, wie wir Nähe zu unseren Kunden herstellen. Unser achtköpfiges Marketingteam ist gut ausgelastet, insbesondere unser Social-Media-Team, das kontinuierlich neue Inhalte postet und unser Angebot erlebbar macht.

Wichtig ist uns, dass alles inhouse geschieht. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Werbung die Henschel-Handschrift trägt. Wir sind davon überzeugt, dass genau das von unseren Kunden erkannt und geschätzt wird. Darin sehe ich auch die Zukunft der Häuser, die wir betreiben. Wo alles zunehmend anonymer wird, tut sich eine Lücke für das Ladengeschäft auf. Gerade haben wir mit den traditionsreichen Köhler-Modehäusern in Gießen und Fulda zwei weitere Standorte übernommen. Denn wir glauben fest an die Stärke und Relevanz des stationären Handels.

Erschienen im STORE BOOK 2024. Hier bestellen.