Omnichannel und Individualisierung – wie der Handel auf Megatrends antwortet

Silvia Talmon, Executive Creative Director und Geschäftsführerin von The Store Designers + The Retail Academy, The Retail Experience GmbH

Wer sich heute in der Retailbranche zukunftssicher aufstellen will, der setzt vor allem auf zwei strategische Wachstumsfelder: Omnichannel und Individualisierung.

Retail-Unternehmen, die für sich eine Vorreiterrolle beanspruchen, zeigen durch ihre strategische (Neu-)Ausrichtung deutlich, dass sie einen klaren Fokus setzen: auf die Verschmelzung von On- und Offline-Erlebnissen und den Ausbau von immer individueller werdenden Kundenerfahrungen. Ein Blick auf das Megatrend-Modell des Zukunftsinstituts, von dem sich auch die Retailtrends ableiten, zeigt zudem: Es handelt sich nicht um kurzfristige Hypes, die schon bald von Folgetrends abgelöst werden, sondern um tiefgreifende Veränderungsprozesse unserer Gesellschaft, die den Handel und die Art, wie wir einkaufen, langfristig prägen werden. Wer sich also fragt, ob sich Investitionen in einen Strategiewechsel lohnen, dem raten wir, sich intensiv mit diesen Trendentwicklungen zu beschäftigen. Denn nur wer ein differenziertes Bild von der Zukunft des Handels hat, wird diese auch aktiv mitgestalten.

Konsumentenbedürfnisse haben sich nachhaltig verändert
Die globalen Entwicklungsprozesse der letzten Jahre haben maßgeblich verändert, was und wie wir einkaufen. Der Handel versucht auf die zwei prägendsten Veränderungen zu reagieren: Auf die technologische Entwicklung einerseits, die ermöglicht hat, dass Menschen und Unternehmen jederzeit und überall miteinander vernetzt sind. Und auf die veränderten Konsumentenbedürfnisse andererseits, denen ein gesellschaftlicher Wandel zugrunde liegt, der mit einem wachsenden Streben nach Selbstverwirklichung und persönlicher Freiheit einhergeht und Individualität und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt rückt.

Dass Handel immer auch Veränderung heißt, weil Angebot und Nachfrage das Geschäft bestimmen, war schon immer so. Was sich heute jedoch verschärft hat, ist zum einen die Geschwindigkeit der Veränderungen und zum anderen der stärker gewordene Wettbewerbsdruck, weil sich durch die globale Vernetzung und den immensen Einfluss sozialer Medien Informationen und Innovationen viel schneller verbreiten. Darüber hinaus sind es moderne Konsument:innen heute gewohnt, durch digitale Technologien eine hohe Kontrolle über ihre Entscheidungen und Interaktionen zu haben. Diese Erwartungshaltung überträgt sich auch auf ihre Konsumgewohnheiten.

Megatrend Konnektivität bringt Omnichannel Retail hervor
Retail-Trends gibt es viele. Unabhängig von Branche und Angebot zeichnet sich aktuell eine klare Tendenz ab: Die Verknüpfung von On- und Offline-Erlebnissen sowie die immer persönlicher werdenden Kommunikations- und Produktangebote sind die Kernbereiche, an deren Ausbau führende Unternehmen aktuell mit Hochdruck arbeiten, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern.

So hat der Megatrend Konnektivität, also die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung der Welt durch die Verbreitung von Internet und mobilen Endgeräten und damit die rasante Entwicklung im Bereich E-Commerce und Mobile Shopping dazu geführt, dass Konsument:innen heute erwarten, jederzeit und überall einkaufen zu können. Und dass sie sich dabei ein konsistentes und kohärentes Einkaufserlebnis wünschen, unabhängig davon, welchen Kanal sie nutzen. Als Reaktion haben Einzelhändler begonnen, an zentralisierten Datenverwaltungen zu arbeiten, damit sowohl On- als auch Offline-Systeme auf dieselben synchronisierten Lagerbestände, Bestellungen und Kundenprofile zurückgreifen. Zudem wurden neue Fulfillment-Lösungen wie „Click & Collect“ oder „Buy Online, Pick Up In Store“ (BOPIS) eingeführt, um die flexible Nutzung der Kanäle noch zu erweitern.

Megatrend Individualisierung hebt Kundenerlebnisse auf ein neues Level
Auf die gleiche Weise hat der Megatrend der Individualisierung, der das zunehmende Streben nach Selbstverwirklichung und persönlicher Freiheit in allen Lebensbereichen beschreibt, dazu geführt, dass Menschen vermehrt nach Möglichkeiten suchen, ihre einzigartigen Persönlichkeiten und Lebensstile zum Ausdruck zu bringen. Vor allem soziale Medien als Plattformen für Selbstdarstellung und Identitätsbildung haben dazu beigetragen, dass sich auch Einkaufspräferenzen verlagert haben: Die Nachfrage nach anpassbaren und einzigartigen Produkten, die den persönlichen Stil und die eigene Individualität widerspiegeln und damit auch psychologische Faktoren wie das Bedürfnis nach
Anerkennung, Wertschätzung und Identitätsbildung stärken, hat rapide zugenommen. Und so hat auch der Einzelhandel mit diversen Maßnahmen reagiert, die wir heute unter dem gleichnamigen Retail-Trend Individualisierung subsumieren. Das betrifft nicht nur das Angebot von Produkten als Maßanfertigungen oder mit Personalisierungsoptionen, das sich in zahlreichen Retail-Bereichen inzwischen durchgesetzt hat, sondern auch das Thema Curated Shopping oder die zunehmend hyperpersonalisierte Kundenansprache. Da hierfür technologische Voraussetzungen von Datenanalyse und KI gegeben sein müssen, wird deutlich, dass besonders die Trends Konnektivität und Individualisierung eng miteinander verzahnt sind und sich mitunter gegenseitig bedingen.

Zukunftsfähige Unternehmen begreifen Megatrends als Chance
Retail-Trends sind nicht nur Reaktionen auf aktuelle Marktbedürfnisse, sondern auch Spiegelbilder tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen. Die Fähigkeit, diese Trends frühzeitig zu erkennen und erfolgreich in die eigene Strategie zu übersetzen, entscheidet über die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Megatrends wie Individualisierung und Konnektivität bieten immense Chancen, verlangen jedoch auch eine durchdachte und integrierte Herangehensweise. Unternehmen, die diese Herausforderungen meistern, werden nicht nur im Wettbewerb bestehen, sondern ihren Kund:innen auch ein wirklich einzigartiges und relevantes Einkaufserlebnis bieten können.

Erschienen im STORE BOOK 2025. Hier bestellen.