Julia Greven, freie Markenberaterin für Industrie und Handel. Zudem hält sie Vorträge und Seminare zum Thema Marketing, Trend Embedding und Design.
...sich Shopkonzeption und Retail Design nach der „Brand Identiy“, der „Brand Community“ und der primären Zielvorgabe des „Touchpoints“ ausrichten.
Ein Laden muss nicht schön sein, um gut zu verkaufen (Beispiel: Aldi, Mediamarkt oder Amazon). Es kommt vielmehr und insbesondere auf die vorgenannten Attribute an. In unterschiedlicher Fokussierung und Priorisierung geht es dement- sprechend um das Repräsentieren, Zelebrieren, Informieren, Inspirieren, Visualisieren, Materiali- sieren, Beraten, Unterhalten und schließlich er- folgreiche Verkaufen. Je weniger notwendig das Produkt für den Verbraucher ist, desto wichtiger ist die bestmögliche Kombination von alledem.
Das gute Beispiel: Seinz
Wenn ich Drogerieprodukte „an den Mann bringen“ möchte, sollte ich es diesem so einfach wie mög- lich machen, seine Auswahl zu treffen. Hier steht das Thema Convenience also im Vordergrund. Die Mehrheit der Herren sucht und stöbert nicht gerne stundenlang herum, schon gar nicht unter Damen- artikeln. So schafft es etwa dm mit der neuen Shop- in-Shop-Konzeption Seinz, diese Zielgruppe bes- tens abzuholen und darüber hinaus die Kategorie optimal mit seiner ebenso genannten Eigenmarke zu positionieren. In der dazugehörigen Marketing- kampagne werden Eigenmarke und Konzept somit gleich in einem beworben – ein genialer Coup.
Das gute Beispiel: Marc Ephraim
Möchte ich hochwertige Mode an Frauen mittleren Alters verkaufen, sollte ich ein ebenso feines wie persönliches und auch intimes Wohlfühlambiente schaffen, in dem die gestresste Businessfrau sich ganz entspannt, vielleicht bei einem Glas Prosecco, auf die Beratung der Verkäufer einlassen kann. Hier braucht es nicht Unmengen von Produkten, sondern eine zielgruppenspezifische Vorauswahl und gute persönliche Stylingberatung – Stichwort „Kuratieren“.
Wenn ich mir einige Modehäuser und Geschäfte mit ebendieser Zielvorgabe anschaue, wundere ich mich, dass dort Menschen überhaupt noch Lust haben, etwas zu kaufen. Stichwort Umkleidekabi- ne: Gerade an dem Ort und Punkt, wo die Kundin- nen die Kauflust packen, der Blick in den Spiegel ihnen Bestätigung geben und ihre Preis-Sensibili- tät verringern soll, wird an allem gespart: An der Größe der Kabine, an der richtigen Beleuchtung, an der Sauberkeit, am Ambiente, am Duft, an Be- stätigung, am Showeffekt, an Service. Ein Quadrat- meter neonbeleuchtete, verspiegelte Staubzelle im hintersten Eck des Ladens. Wo ist da der Glamour?
Stetig wechselnd, interaktiv, erlebnisreich und emotional
Mit diesem Konzept eröffnete „It‘s all about Sto- ries“ Anfang September in Essen sein Pilotgeschäft. Wechselnde Themen- und Erlebniswelten („Stories“), in denen sechs bis acht Marken für jeweils zwei Monate ihre Produkte inszenieren und prä- sentieren, stehen im Mittelpunkt dieser Mischung aus Pop-Up- und Conceptstore.
Genau wie hier, sollte grundsätzlich eine gute Konzeption und Gestaltung dem Geschäft Gestaltungsspielraum lassen und möglichst ein- fach individuelle Veränderungen und Umbauten, insbesondere die Umpositionierung der Möblierung ermöglichen. Genauso out wie statische Ein- heits-Systemgastronomie ist nämlich auch der System-Ladenbau. Gefragt sind flexible und mobile Lösungen. Es ist ja nicht neu, dass im Geschäft nicht mehr Produktpräsentation pro Quadratmeter zählen, sondern Erlebnis, Inspiration und Service.
Der Point of Sale muss zum Point of Community werden. Hier muss man mit seinen Freunden hin- gehen wollen und sich auch alleine so aufgehoben und angenommen fühlen wie unter Freunden.
Erfolgsfaktor Wertschätzung
Abgesehen von gestalterischen Themen und den Standortfaktoren spielt beim Einzelhandel last but not least natürlich das Thema Freundlichkeit, Kom- petenz und Service eine tragende Rolle. Den attrak- tivsten Geschäften wird nur so viel Wertschätzung entgegenbracht wie ihren Kunden durch die Mit- arbeiter. Das gilt für gute Restaurants genauso wie für Geschäfte.
Erschienen im dLv-Trendreport 2020 - 2023. Hier bestellen.
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