Digitorial | Beitrag Thomas Frey

Der Ladenbauer ist ein Allrounder

Thomas Frey, Inhaber der Personalberatung Personalpotential, die mit den Branchenplattformen Ladenbau.Careers und Handel.Careers für den Ladenbau und den Handel tätig ist

Der Wandel im Handel ist für den Ladenbauer deutlich spürbar. Seine Welt wird von Tag zu Tag vielfältiger, globaler, transparenter und vor allem: schneller. Die Anforderungen steigen und damit auch die Erwartungen an ihn. Was ändert sich?

Ein  großer  Handelskonzern  suchte  einen  neuen  Leiter  Bau und Einrichtung. Das Briefing-Gespräch zur Besetzung der Vakanz begann so: „Die Konzernleitung sucht nicht den fachlich versierten Baumenschen oder den Einrichtungsprofi, sondern jemanden, der neu und anders denkt, den vernetzten, global denkenden Querdenker, der alle bestehenden Prozesse hinterfragt. Gerne einen Profi aus dem Umfeld Elektrotechnik/Logistik/Robotik mit Erfahrung in Leadership. Aber bitte keinen Managertyp, der gerne alles im Griff hat und für den Controlling zur Religion gehört.“ Gesucht wurde jemand, der in der Lage ist, auf andere zu hören und gleichzeitig Richtungen vorzugeben. Kurz: „Mal was anderes.“ Das Anforderungsprofil wurde dann schließlich sehr spezifisch.

Querdenker

Warum erwähne ich das? Nun, dieses Unternehmen denkt neu und um die Ecke. Das ist in der heutigen Zeit auch notwendig, denn von der Logistik (kleiner Bestand und trotzdem passgenaue schnelle Warenverfügbarkeit) über neue Zahlsysteme, die Inventur via Robotik, die AR-gestützte Warenpräsentation  bis zur Omnipräsenz auf allen Plattformen und zur kommenden Belieferung via Drohne: Der Handel ist massiv im Wandel, aber das ist die große Chance des modern denkenden Ladenbauers.

Handwerker und Dienstleister

Vom Ladenbauer wird heute nicht mehr „nur die Einrichtung“ angeboten. Das war zu der Zeit, als ich in den 2000ern im Ladenbau arbeitete, Standard. Jetzt ist das Portfolio deutlich ausgeweitet. Das alles können Ladenbauer zusätzlich anbieten:

»  Innenausbau (Trockenbau, Akustikbau, Bodenbelag)

»  Elektroinstallation

»  Technische Gebäudeausrüstung (Heizung, Lüftung, Klima, Sanitär)

»  Sicherheitstechnik

»  Beleuchtung

»  Datenverarbeitung

Vereinzelt kommen auch Leistungen im Bereich Hochbau und neuerdings auch im Modulbau bei einzelnen Anbietern im Bereich des Ladenbaus vor. Das oben aufgeführte Portfolio gilt für Konzeptionierung, Planung und Realisierung.

Der Handel ist, das mache ich an vielen unterschiedlichen Gesprächen mit Entscheidungsträgern aus dem Bereich Handel fest, gerne bereit, mit versierten Unternehmen zu arbeiten, die ein breites Spektrum an Dienstleistungen anbieten. Für den Ladenbauer ist es notwendig, sich die erforderliche Expertise durch entsprechende Fachkräfte oder auch durch Netzwerkpartner zu beschaffen. Ein aus meiner Sicht exzellenter Dienstleister bietet dem Kunden (also dem Handel) Ideen an, noch bevor der Kunde selber auf die Idee kommt, dass er das im Store benötigt.

 

Folgende  Digitalisierungs-Trends   werden  den  Ladenbau  im Einzelhandel in den kommenden fünf Jahren massiv verändern.

Trend I: Onlinewelt und stationärer Handel verschmelzen

Der stationäre Handel hat auf die Erfordernisse des Onlinevertriebs reagiert und entwirft Ladenflächen, die die Onlinewelt einbeziehen. Mehr und mehr schließt sich die Lücke zwischen dem virtuellen Produkt im Browser und der realen Ware im Regal. Der Kunde gelangt immer nahtloser von der Onlinewelt zur realen Warenpräsentation: Er informiert sich bereits vor dem Besuch im Store über aktuelle Trends oder neue Produkte.

Mitten zwischen coolen Klamotten stehen plötzlich Frisiertische. Wer nach dem Kauf von Hose oder Jacke der Meinung ist, dass eine neue Frisur gut zum soeben erworbenen Outfit passt, kann sich bei Urban Outfitters in New York direkt im Laden stylen lassen. Falls dabei noch ein paar Minuten War- tezeit bis zum Haarschnitt anfallen, können Kunden solange einen Kaffee trinken. Direkt im szenig gestalteten Café, natürlich ebenfalls Bestandteil des Stores. Das Modegeschäft in der US-Metropole geht den wachsenden Druck durch den Onlinehandel auf kreative Weise an. Durch zusätzlichen Service und ganz viel Kauferlebnis. Und das mit messbarem Erfolg: Die Umsätze im stationären Handel wurden stabilisiert, und gut ein Viertel bis ein Drittel der Onlinebestellungen wird laut Unternehmensangaben stationär abgeholt. Der Mehrwert jenseits des Produktkaufs lockt Kunden offenbar ins Geschäft.

Der stationäre Handel hat somit auf die Erfordernisse des Onlinevertriebs reagiert und fordert Ladenflächen, die die Internet-Welt einbeziehen. Die Lücke zwischen dem virtuellen Produkt im Browser und der Ware im Regal schließt sich. Der Kunde gelangt immer nahtloser von der Onlinewelt zur realen Warenpräsentation.

Trend II: Neue Bezahlsysteme

Derzeit werden die Waren im stationären Einzelhandel noch zu mehr als 50 Prozent bar bezahlt. Neue Payment-Systeme werden das Bezahlverhalten in den kommenden Jahren jedoch komplett revolutionieren. Fünf Schlüsseltechnologien sind dabei der Treiber:

»  weltweite Vernetzung von Computern und Datenbanken

»  verbesserte Datenbanktechnologien

»  Hypermedia, also die Verbindung von Text, Grafiken, Ton und bewegten Bildern, wie wir es derzeit beispielsweise bei Spracherkennungssystemen sehen

»  Echtzeit-Animation in 3D

»  Künstliche Intelligenz als entscheidende Schlüsseltechnologie

Hinzu kommt, dass Handelskonzerne mehr und mehr Daten sammeln möchten und durch Bezahlen mit Bargeld keine personenbezogenen Daten erhoben werden können. Aus diesem Grund wird es auch für Einrichtungshäuser immer wichtiger, Anreizsysteme zu schaffen, die ihren Kunden den Umstieg auf das elektronische Bezahlen erleichtern.

Das Bezahlen mit der Smartwatch verursacht derzeit oft „ein Verrenken des Arms“. Warum daher nicht in die Kassentheke entsprechende Touchpoints integrieren? Frei nach dem Motto, einfach gehen, kurz stehen bleiben und den Laden mit einem guten Gefühl verlassen.

Trend III: Robotik

Die „Attention Economy“ ist ein wichtiger Trend im Einzelhandel. Der Fachbegriff steht für das Schaffen von Aufmerksamkeit. In Ladengeschäften spielen Roboter dabei eine zunehmend wichtige Rolle: So kommen WeRobots bereits jetzt in Shopping-Malls zum Einsatz. Dort haben sie auch Kontakt mit dem Kunden und übernehmen Service- oder Beratungsaufgaben. Im Back-Office-Bereich, beispielsweise in der Intralogistik, wird vornehmlich die Automatisierung wiederkehrender, gleichbleibender Prozesse wie die Ein- und Umlagerung, der innerbetriebliche Transport und die Kommissionierung mehr und mehr durch den Einsatz von Robotik automatisiert.

Entsprechend müssen Wege und Anlaufstellen für Roboter in die Planung von Ladengeschäften einfließen.

Trend IV: Virtuelle Realität

Virtuelle Realität – kurz VR – steht noch am Anfang. Intelligente Verkaufszonen am Point of Sale, kontextsensitive Umgebungsanpassung, Produktvergleich via Surface-Scanning, virtuelle Einkaufslisten: derlei Anwendungen sind Teil einer boomenden Technik, die dem Einkaufen spielerische Leichtigkeit verleiht – und eine neue Erlebnisqualität. Das Thema VR wird völlig neue Maßstäbe setzen. Beispielsweise gestaltet der Kunde von morgen im Möbelfachgeschäft seine Möbeleinrichtung virtuell oder „reist“ mit VR-Brille durch verschiedene Wohnwelten, um sich Ideen für die Einrichtung seiner heimischen vier Wände zu holen.

Der Integration von VR-Modulen in Ladenkonzepten wird vor allem im Bekleidungs- und Einrichtungshandel eine große Bedeutung zukommen.

Digitalisierer und Techniker

Neben den Digitalisierungstrends, die den gesamten Einzelhandel vor neue Herausforderungen stellen, gibt es speziell für die Gastronomie besondere Veränderungen. Diese sollten frühzeitig in Konzepte für Ausbau und Einrichtung einbezogen werden.

Wichtig ist dabei die Berücksichtigung einer umfassenden IT- Infrastruktur: zum Beispiel Terminals, an denen von mehreren Punkten im Restaurant auf Buchungen und Tischreservierungen zugegriffen werden kann. Stationäre Kassen werden mehr und mehr durch PAD-Plattformen ersetzt, die Abrechnen, Umbuchen  oder Stornieren  von jedem  Ort im Restaurant  oder Café aus möglich machen.

Die Auswirkungen auf Gewerke in den Bereichen Einrichtung und  Ausbau  sind  erheblich. Handwerksbetriebe  müssen  in der Zusammenarbeit mit Planern zunehmend auf Einrich- tungskonzepte achten, die immer mehr digitale Elemente beinhalten.  Der  rasante  technologische Fortschritt  schlägt sich  darüber  hinaus  in  weiteren  Bereichen  nieder,  z.B.  bei der Digitalisierung handwerklicher Arbeiten. In Japan wurde jüngst der erste Roboter für den Trockenbau präsentiert. Oder bei den Materialien – es sind Beschichtungssysteme im Test, mit deren Hilfe Solarstrom erzeugt werden kann. Im Bereich der Fertigungsprozesse gewinnt vor allem der 3D-Druck an Bedeutung, mit dem Ladenbauer zukünftig Einrichtungselemente passformgenau produzieren können.

Kompetenz im Ladenbau

In der Abstimmung mit Innenarchitekten führt all das dazu, dass zukünftig mehr technisches Know-how erforderlich ist, zum Beispiel bei der Daten- oder Medientechnik oder im Hinblick auf Verkabelung und die Datendurchlässigkeit von Netzen. Auch Themen wie Sensorik und Aktorik spielen bei der Gestaltung eine größere Rolle. Neben der eigentlichen Archi- tektur ist die Datenarchitektur ein Schlüsselfaktor für zukünftige Ladenkonzepte.

Damit verändern sich auch für Ladenbauer die Anforderungen an Ausbildung und Aufgabeninhalte. Und das heißt: Auf jeden Fall in die Aus- und Weiterbildung der Belegschaft investieren! Der Ladenbau hat in den Planungsbüros zukünftig Ansprechpartner mit völlig neuen Schwerpunkten wie beispielsweise Geovisualisierung oder Building Information Modelings.

Lebenslanges Lernen, die Suche nach IT-affinem Fachpersonal und die Lust, neue, innovative Wege auszuprobieren, werden zu entscheidenden Faktoren für erfolgreiche Ladenbauer in den nächsten Jahren werden.

Erschienen im dLv-Trendreport 2020 - 2023. Hier bestellen.

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