Christoph Stelzer, Managing Director DFROST Retail Identity
Pop-up-Stores sind dank ihrer Extravaganz das Salz in der Retailsuppe. Das Format verdient inzwischen eine eigene Kategorie im STORE BOOK. Besonders internationale Marken glänzen mit sehenswerten Auftritten. Der Pop-up-Store hat sich als gutes Marketinginstrument im Einzelhandel etabliert.
Der erste Pop-up-Store in Deutschland wurde vom Modelabel Comme des Garçons 2004 in einer ehemaligen Berliner Bücherei eröffnet. Möbel vom Flohmarkt und der abgenutzte Charme des alten Gebäudes schufen eine Second-Hand-Atmosphäre, in der die avantgardistische Mode des japanischen Labels auf besondere Weise zur Geltung kam. Die Gegensätze zwischen Location und Produkt hätten größer nicht sein können. Die Eröffnung des Stores wurde in bescheidenem Maße plakatiert und haupt- sächlich von Mund zu Mund propagiert. Das machte das Projekt einzigartig, weil zeitlich verknappt, nur wenigen bekannt und perfekt inszeniert. Wer dabei war, konnte von einem außergewöhnlichen Shopping-Erlebnis an einem besonderen Ort erzählen. Es war die Geburtsstunde des Pop-up-Stores als innovatives Distributionsformat.
Auf Location, Ausführung und Zeitfaktor kommt es an, wenn ein Store erfolgreich „aufpoppen“ soll. Warum wir in Zukunft noch mehr Pop-up-Stores sehen werden, erklärt Christoph Stelzer. Seine Agentur hat für die Kampagne „Tough As You“ von Dr. Martens die Pop-Up-Inszenierung in der Schuhabteilung von Breuninger Stuttgart entwickelt und realisiert. Der Store wird auf den folgenden Seiten vorgestellt.
Pop-up-Stores haben sich längst als innovatives und profitables Verkaufsmodell im Retail etabliert und der Trend wächst weiter. In Zukunft sehen wir noch weitaus mehr temporäre, spitzer kuratierte und auch hybride Formate auf uns zu kommen. Eine neue Form des „Nomadic Retail“ sozusagen, mit Platz für zielgruppengenaue Kuration und Nischen für die jeweilige Community. Wir erwarten einen großen Boom von temporären Formaten, da es mehr Raum für Brüche geben wird, die die Chance bieten, das Bild des Kunden an das gewohnte Erscheinungsbild der Marke immer wieder neu aufzuladen. Denn genau darum geht es bei einem Pop-up-Store, eine probate Maßnahme, um aus dem Gängigen und der allgegenwärtigen Innenstadt-Monotonie auszubrechen.
Einst geprägt von mutigen Einzelunternehmern mit gutem Händchen oder teils aus dem Guerilla-Marketing hervorgegangen, gehören Pop-ups längst zur Marketingstrategie etablierter Firmen und sind ein mächtiges Branding-Tool internationaler Marken, aufstrebender Newcomer und von Online-Pure-Playern. Große Unternehmen nutzen sie, um das Interesse an Produktinnovationen zu erforschen, limitierte Editionen zu lancieren oder neue Märkte und Zielgruppen zu inspizieren. Pop-ups sind nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil sie gewissermaßen wie eine dreidimensionale Marketingkampagne in einem physischen Raum funktionieren.
Mit Pop-up-Stores oder -Flächen kann um ein Vielfaches schneller auf Kundenbedürfnisse reagiert werden. Gerade für Big Player bergen sie die Chance, ein völlig neues Mindset aufzubauen. Nicht
zuletzt, weil Pop-ups erlauben, freier mit dem Selbstverständnis der Marke umzugehen. So ergibt sich auch für den Kunden mehr Spielraum, die Marke neu zu entdecken. Neben der Kommunikation und der Qualifikation der Mitarbeiter sind es vor allem Location und Design, die zum Gelingen beitragen. Einzigartig, perfekt inszeniert und limitiert – je weiter die Rahmenbedingungen des Stores oder der Fläche wie Lage, Interior und Angebot vom Gewohnten abweichen, desto besser, weil verblüffender. Auch für Multilabel-Händler bieten diese Formate ein großes Potenzial, um saisonale oder einfach modische Impulse in ihr gewohntes Sortiment einzuspielen.
Überraschung und Inspiration sind die Grundsäulen für den Erfolg temporärer Stores. Dazu kommt der Hauch von Exklusivität, der durch die zeitliche Begrenztheit entsteht. Künstliche Verknappung schafft Begehrlichkeit. Der Kunde will überrascht werden, neues Potenzial entdecken und damit immer wieder das Gefühl bekommen, Marke und Produkte sind am Puls der Zeit. Pop-ups bieten Brands die Möglichkeit sich zu inszenieren, sich erkennbar zu machen, auch unabhängig von der immer gleichen Hülle des Ortes. Für mich sind Pop-ups eins der spannendsten Formate für eine maximale Brand Experience, da dabei immer das Unerwartete, das besondere Erlebnis im Vordergrund steht.
Erschienen im STORE BOOK 2021. Hier bestellen.
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